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1978 definierte Edward Said den ‚Orientalismus‘ als einen Diskurs, „der es der europäischen Kultur in der Zeit nach der Aufklärung ermöglichte, den Orient politisch, soziologisch, militärisch, ideologisch, wissenschaftlich und imaginär zu verwalten – und sogar zu produzieren“. Literatur, Malerei und Musik, philologische, historische und ethnographische Arbeiten hätten ein stereotypes Bild des ‚Orients‘ erzeugt, das dem ‚Westen‘ als Negativfolie für sein Selbstverständnis diente.
Walter Mignolo und Fernando Coronil wandten gegen die Analysen dieses Orientalismus ein, dass die Fokussierung auf ihn den Blick zu stark von den ‚Orientalisierer:innen‘ abwende. Sie forderten daher eine Blickumkehr: weg von den Konstruierten, hin zu den Konstruierenden, weg vom Orientalismus, hin zum Okzidentalismus. „Ich möchte“, schrieb Coronil, „dass wir unsere Aufmerksamkeit verschieben und uns von der Problematik des Orientalismus, die sich auf die Mängel der vom Westen geschaffenen Repräsentationen des Orients konzentrieren, abwenden. Stattdessen sollten wir uns der Problematik des ‘Okzidentalismus’ zuwenden, die sich auf die Konzeption des Westens bezieht, die diesen Repräsentationen zugrunde liegen […].“
In unserem Kurs wollen wir der Forderung Coronils nachkommen und diese Konzeptionen in gemeinsam ausgewählten Texten untersuchen.
Die Teilnahme an der ersten Sitzung ist obligatorisch.
Literatur
- Fernando Coronil: Beyond Occidentalism. Toward Nonimperial Geohistorical Categories, in: Cultural Anthropology 11.1 (1996), S. 51-87.
- Fernando Coronil: Jenseits des Okzidentalismus. Unterwegs zu nichtimperialen geohistorischen Kategorien, in: Sebastian Conrad und Shalini Randeria (Hg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M.: Campus, S. 176-219.
- Gabriele Dietze, Claudia Brunner und Edith Wenzel (Hg.): Kritik des Okzidentalismus. Transdisziplinäre Beiträge zu (Neo-)Orientalismus und Geschlecht, Bielefeld: transcript, 22010.
- Dietze, Gabriele, Daniele Hrzán, Jana Husmann-Kastein und Martina Tießberger (Hg.): Weiß – Weißsein – Whiteness. Kritische Studien zu Gender und Rassismus. Critical Studies on Gender and Racism, Frankfurt a. M.: Lang, 2006.
- Richard Dyer: White. New York: Routledge, 1997.
- Walter Mignolo: Local Histories / Global Designs. Coloniality, Subaltern Knowledges, and Border Thinking, Princeton: UP, 2000.
- Nell Irvin Painter: The History of White People. New York: Norton, 2010.
- Wulf D. Hund: Wie die Deutschen weiß wurden. Kleine (Heimat)Geschichte des Rassismus. Stuttgart: Metzler, 2017.
- Patricia Purtschert: Kolonialität und Geschlecht im 20. Jahrhundert. Eine Geschichte der weißen Schweiz, Bielefeld: transcript, 2019. |